Heidis Meisterzeichner

F. W. Pfeiffer, Yōichi Kotabe
Eine Begegnung zwischen den Welten

Sonderausstellung im Herzoglichen Museum Gotha
5. Dezember 2019

Im August 2019 wurde in einem privaten Treffen im Nationalmuseum Zürich Geschichte gezeichnet. Dem berühmten Meisterzeichner und Vater der weltbekannten japanischen Heidi-Figur von 1974, Yōichi Kotabe, wurde anlässlich der ihm dort gewidmeten Ausstellung «Heidi in Japan» die Original-Entwürfe der ersten Heidi-Darstellung der Welt von Friedrich Wilhelm Pfeiffer (1822–1891) von 1880 gezeigt. Tief berührt von dieser künstlerischen Begegnung zeichnete Kotabe zu diesen Entwürfen als Reaktion drei Heidi-Bilder und schlug damit eine Brücke in die Vergangenheit. In diesen einzigartigen Dokumenten der Illustrationsgeschichte begegnen sich zwei Künstler aus zwei Kulturen aus zwei Jahrhunderten auf Augenhöhe. Kotabe hat mit seinen Zeichnungen Pfeiffers Heidi zurück in die Gegenwart geholt.

© 2019 Sven Waskönig, Kamera: Karl Smielewski

Die Heidi-Zeichnungen von Yōichi Kotabe wurden am 5. Dezember 2019 zusammen mit den Entwürfen von Friedrich Wilhelm Pfeiffer erstmals einer Öffentlichkeit in Gotha präsentiert. Die Ausstellung im Herzoglichen Museum war eingebettet in die Festlichkeiten der Briefmarken-Präsentation «Helden der Kindheit» der Deutschen Post AG, bei der es um die Veröffentlichung der Heidi- und Pippi Langstrumpf-Sonderbriefmarke anlässlich des 140. Jahr-Jubiläums der Schweizer Romanheldin ging. Die Begeisterung für die Ausstellung hat gezeigt, dass die Menschen sich nicht nur für die Heidi-Geschichte selbst interessieren, sondern auch für deren Hintergründe, zumal diese oft einen ganz neuen Blick auf das Thema ermöglichen.

Unter den geladenen Ehrengästen waren die Schauspielerin und Synchronsprecherin Andrea L´Arronge, der Komponist des Heidi-Liedes Christian Bruhn, das legändere Gesangsduo Gitti & Erika und der Schweizerische Botschafter Dr. Paul R. Seger aus Berlin. Auch der letzte echte Kurdirektor der Schweiz und Markenerfinder von «Heidiland», Dr. Hans Peter Danuser von Platen, gab sich die Ehre und kam zusammen mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Ruedi Bircher eigens mit Alphorn aus St. Moritz angereist.

Während Friedrich Wilhelm Pfeiffer dem Alpen-Mädchen 1880 erstmals ein zeichnerisches Aussehen verlieh, haben Kotabes Zeichnungen Spyris einstige Heldin weltberühmt gemacht. Keine andere Adaption hat bis heute das internationale Bild von Heidi so sehr geprägt wie diese japanische Zeichentrickfigur.

Bereits 1920 wurde Spyris Roman ins Japanische übersetzt. Seitdem gehört Heidi zum Kanon der westlichen Kinder- und Jugendliteratur in Japan. 1974 erschien dann in 52 Episoden die japanische Zeichentrickserie Heidi, das Mädchen aus den Alpen (jap. アルプスの少女ハイジ, Arupusu no Shōjo Haiji). Regie der Serie führte Isao Takahata (1935–2018), der mit dem späteren Regisseur und Oscar-Preisträger Hayao Miyazaki das Anime-Studio Ghibli in Tokio gründete. Während Miyazaki für das Screen-Design und für das Szenen-Layout verantwortlich zeichnete, oblag die Animationsleitung und das Charakterdesign Yōichi Kotabe. Dieser erfand nicht nur die Gestalt von Heidi, sondern später auch andere Animationsfiguren wie Pokémon und Super Mario von Nintendo.

Die deutsche Synchronfassung von Heidi wurde 1977 im ZDF ausgestrahlt. Das deutsche Titellied für die Serie «Heidi, deine Welt sind die Berge» komponierte Christian Bruhn und wurde durch den unverwechselbaren Gesang von Gitti & Erika ein Evergreen der deutschen Musik- und Filmgeschichte.

Im August 2019 war Yōichi Kotabe mit Junzō Nakajima, dem Produzenten der Serie, sowie der Witwe und dem Sohn von Isao Takahata und einer Delegation aus Japan erneut zu Gast in der Schweiz, wo sie in Maienfeld auch als Ehrenbürger geehrt wurden. Bei diesem Aufenthalt besuchten Sie auch die Originalschauplätze ihrer Studienreise von 1973.

Die Reise diente dem Animations-Team damals als Inspiration für ihre Serie. Auf dieser Reise, dem so genannten «location hunting» (japanisch: lokehan), schoss Nakajima Hunderte von Fotos, während Kotabe Skizzen anfertige. Die Städte Zürich, St. Moritz, Bad Ragaz und Maienfeld mit seinem heutigen Heididorf gehörten zu den wichtigsten Stationen ihres Aufenthalts. Sie boten wiedererkennbare Vorlagen für ihre Arbeiten, wie etwa die wohl bekannteste Almhütte der Welt – die Yōichi Kotabe «Heidialp» des Alm-Öhi auf dem Ochsenberg in Graubünden.

Impressionen